Leseproben

«Dieses Buch soll ein Ausdruck des Respektes sein für Eltern, ihre Kinder und ihr Umfeld. Aus Hebammensicht möchte ich schildern, wie täglich, oft im Verborgenen, Bemerkenswertes und Wunderbares geleistet wird. Darüber hinaus ist meine Vision, dass wir alle mit unserem Potenzial dranbleiben, gute Bedingungen für Familien zu schaffen. Unsere Kinder werden nämlich nichts weniger als das Schicksal dieser Erde beeinflussen. »

«Jeden Tag darf ich die leidenschaftliche Zuwendung sehen, die Eltern ihren Kindern schenken. Ich erlebe Kinder, die sich offen und unverfälscht den Menschen um sie herum zuwenden. Hier findet täglich die Liturgie des Lebens statt. In ihrer ganzen Banalität und Innigkeit und Schönheit.»

«Jeden einzelnen Tag verbringe ich in einem Arbeitsumfeld der Liebe. Alle meine Sinne werden berührt von der Poesie des neuen Lebens. Ich erlebe täglich mit, wie Kinder eine Familie verändern und sich vieles zum Guten wendet. Ich sehe, höre und spüre viel Schönes. Das Allerschönste und Eindringlichste, was ich je erleben durfte, war die Zeit, während der ich Hausgeburten begleitet. Wenn nach langen Nächten im Morgengrauen ein neuer Mensch das Licht der Welt erblickte, ging auch in der Stube die Sonne auf. Und wenn ich nach ein paar Stunden die Leute wieder besuchte, erzählten sie mir bereits viel über ihr neues Kind. Ich schätze die Bereitschaft der Menschen, diese fremde Frau, die Hebamme, an ihren Geschichten teilhaben zu lassen und damit eine Verbindung in unser aller Erinnerung herzustellen. Ich darf Menschen begleiten, die in Würde und mit Freude ihren Kindern das Leben schenken. Täglich erlebe ich Menschen, denen alles Künstliche fremd ist. Es gibt keinen Raum für Kitsch und Verklärung. Pathos, Romantisierung und falsche Rührseligkeit sucht man vergebens. Man spürt die Echtheit der Gefühle. Es gibt keine überschüssige Energie, um Fassaden und Blendwerk aufrecht zu erhalten. In der Zeit um die Geburt herum sind die Herzen offen. Eltern sind jetzt herausgefordert, sich ihrem Innersten zu stellen. Mit Leib und Seele schaffen sie möglichst gute Bedingungen für ihre Kinder.»

«Ein kluger Vater drückte vor Jahren seine Erkenntnis so aus: In keinem Erziehungsratgeber dieser Welt steht etwas über mein neues Kind. Alles beginnt von vorne mit ihm. Höchstwahrscheinlich wird es einen individuellen Charakter haben und in kein Schema passen. Als Eltern sind wir jetzt zuständig, mit der ganzen Kraft unserer Liebe diesen neuen Menschen zu erziehen. Eigentlich reicht es aus, wenn wir auf unser Herz und unseren Verstand hören, uns unserer Verantwortung bewusst sind und einen guten Einfluss auf unseren Nachwuchs ausüben. Wenn wir sicher sind in unserer ganzen Unsicherheit und den Humor nicht verlieren, können wir unseren Kindern auch mal sagen: Entspann dich Baby, Menschen halten was aus!»

«Im Wissen um das wirklich Wichtige lernen Eltern, sich zu organisieren. Sie kennen ihre Ressourcen und haben Zugriff darauf. Das bedeutet auch, dass sie sich ihrer Stärke und ihrer Grenzen bewusst sind und bei Bedarf Hilfe anfordern. Sich gezielt unterstützen zu lassen ist ein Zeichen der Kompetenz, nicht der Inkompetenz. Faszinierend finde ich dabei die Energieersparnis. Ein begabter Vater erklärte mir, er könne entweder Jahre damit verschwenden, Unmögliches von seinen Kindern zu erwarten und dann ständig an ihnen herum zu mäkeln, oder er könne realistische Erwartungen haben und damit zum Ziel kommen. Mit einer solchen Einstellung verschwinde auch der defizitäre Blick auf unsere Kinder. Sie befänden sich nicht mehr permanent im Zustand des noch nicht Perfekten. Auf diese Weise könne er das Leben als Vater geniessen. Er habe die Beobachtung gemacht, dass glückliche Kinder leichter lernen. Gute Erziehung laufe wie auf Schienen, sei funktionierend, befriedigend und im Ansatz einfach. Zur Aufmunterung komme immer dann die nächste Phase, wenn sie als Eltern glauben, alles im Griff zu haben. Und für den Rest des Lebens gehe es wahrscheinlich weiterhin zwei Schritte vor und einen zurück. So müsse es sein, sonst würden sie einschlafen oder möglicherweise überheblich werden.»